Am Morgen des 20. Juni 2013 reisten 23 gutgelaunte Personen mit der Bahn ins Engadin. Gegen Mittag erreichten wir Scuol, wo Cilgia Derungs vom Hotel Bellavista in Ftan uns bereits erwartete. Unser Gepäck deponierten wir in ihrem Auto und die Touristenkarte die uns Cilgia aushändigte berechtigte uns zur kostenlosen Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Weiter ging‘s mit der Gondelbahn auf den Motta Naluns, dem Hausberg von Scuol, auf 2142 m. Gemütlich wanderten wir Richtung Prui und erfreuten uns an der eindrücklichen Vielfalt der Alpenflora. Die verschiedenen Gelbtöne von Trollblume, Schwefelanemone und Wundklee dominierten das Bild. Dazwischen mischten sich blaue Flecken des Enzians und rosa Farbtupfer des breitblättrigen Knabenkrauts. Der Bergpieper, typischer Bewohner dieser alpinen Wiesen, begrüsste uns mit seinem Balzgesang. In den Wiesen erfreuten uns die Braunkehlchen mit ihrem kurzen kratzigen Gesang. Kuckuck, Ringamsel, Steinadler, Klappergrasmücke und Zitronengirlitz konnten wir ebenfalls beobachten. Nach der Verpflegung beim Restaurant Prui, mit herrlicher Aussicht auf die umliegende Bergwelt, erfreute uns und die anderen Gäste Christ Eugen mit dem Jodellied „mit Hörnerklängen“ von Ruedi Rymann. Weiter ging die Wanderung Richtung Ftan. Unterwegs konnten wir Brillenschötchen, Alpenklee, Kugelblume sowie die wunderbare straussblütige Glockenblume bestaunen.
Im Hotel Bellavista bezogen wir unsere Zimmer und genossen die Aussicht über die Talschaft.
Am nächsten Morgen konnten wir bereits, beim reichhaltigen Zmorgenbuffet, junge Turmfalken auf der neben dem Hotel stehenden Fichte beobachten. Nur drei Meter unter dem Turmfalkenhorst huderte eine Wachholderdrossel ihre Jungen. Offenbar herrscht im Horstbereich „Burgfrieden“.
Um 08.15 Uhr bestiegen wir das Postauto Richtung Ramosch. Früher war die Umgebung von Ramosch die Kornkammer des Engadins. Eindrücklich ist die stufenförmige, reich strukturierte Kulturlandschaft. Bereits im Dorf konnten wir an drei Stellen singende Gartenrotschwänze beobachten. Wir durchwanderten die artenreichen Wiesen in nordöstlicher Richtung über Vallaina, Chant Pracalögna an den Flachmooren vorbei Richtung Martinatsch. Im Gebiet Vallaina hörten wir den typischen Ruf „up-up-up“ vom Wiedehopf, doch sehen konnten wir ihn leider nicht. Mindestens vier Braunkehlchenreviere konnten wir feststellen, doch gegenüber den Vorjahren hat die Brutdichte stark abgenommen. Im Bereich der Fichten- und Lärchengruppen, die die Landschaft auflockerten, ertönte der wohlklingende Balzgesang des Baumpiepers. Wir verliessen das Strässchen und folgten dem Wanderweg Richtung Vna. Im Restaurant Tschütta verpflegten wir uns mit feinen Engadiner Spezialitäten. Einige Teilnehmer/innen entschieden sich für die kürzere Wanderetappe und bestiegen hier das Postauto. Wir marschierten weiter Richtung Val Sinestra. Im lichten Fichten-Lärchenwald, aber trotzdem gut getarnt im Wechselspiel zwischen Licht und Schatten, zeigte sich unsere grösste einheimische Orchidee, der Frauenschuh, in voller Blütenpracht. Es war eine Augenweide wie sich die goldgelbe pantoffelförmige Lippe im zarten Einklang mit den braunroten Blütenblättern präsentierte. Gegen 200 Pflanzen konnten wir an diesem Standort bestaunen. Ebenfalls begrüsste uns die Alpenrebe in voller Blüte in ihrem blau-violetten Farbenspiel. Wir überquerten den Fluss La Brancla und vor uns türmte sich das imposante Hotel Val Sinestra auf. Das ehemalige Kurhaus wurde im Jahre 1912 erbaut und ist heute in holländischem Besitz. Nun war es Zeit das Wandertempo zu beschleunigen, denn in Sent fuhr das Postauto um 17.12 Uhr Richtung Scuol. Beim vorbeimarschieren sichteten wir noch einzelne Stöcke Frauenschuh, rundblättrige Hauhechel, grünliche Waldhyazinthe und an einer Stelle eine kleine Gruppe Fliegenragwurz. Kurz bevor wir den Wald verliessen, mussten wir unseren Eilmarsch bremsen. Direkt am Strassenrand entdeckten wir eine Gruppe von 20 Pflanzen der Korallenwurz, ebenfalls eine einheimische, aber unauffällige Orchideenart. In Sent nutzten wir noch die Gelegenheit, unsere heissen und müden Füsse im Dorfbrunnen abzukühlen, bevor uns das Postauto zurück nach Ftan brachte.
Der letzte Tag führte uns ins wildromantische Val S-charl. Eigebettet in steilen Föhren-Arvenwäldern liegt der kleine Weiler S-charl. Hier installierten wir unsere Fernrohre und konnten in den Felsen einen jungen Steinadler im Horst beobachten. Leider reichte die Zeit nicht aus, um den höchstgelegenen Arvenwald von Europa den „God Tamangur“ (1994 – 2251 m. ü. M.) zu besuchen. An der Clemgia beobachteten wir kleinere Gruppen des breitblättrigen Knabenkrauts, die Stinkweide, die entgegen ihrem Namen balsamisch duftet, die Reifweide sowie die netz- und stumpfblättrige Weide, beides niederliegende Spalierweiden.
Der Familie Cilgia und Balser Derungs möchten wir für die Gastfreundschaft herzlich danken. Wir alle haben uns im Hotel Bellavista wohlgefühlt und die unkomplizierte Atmosphäre und die Hilfsbereitschaft sehr geschätzt. Herzlichen Dank.
Erfüllt von den vielen Eindrücken und Erlebnissen kehrten wir am Samstagabend bereichert und müde nach Hause zurück.
Breitenbach, 22. Juni 2013
Bericht: Beatrice und Josef Borer
Fotos: Josef Borer, Georg Koch, Theo Walser
Die Beobachtungsliste als pdf